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Texte zu den Themen Arbeitsplatz, Familie, Nachbarschaft aus der Sicht des Mediators

Prä-, alt-, neu-, brandneu.. die Phasen des Testaments und die Möglichkeiten der Erbschaftsmediation

Wir kennen das alte Testament, in der Regel ist es jenes Dokument, welches wir früher verfasst haben, um unsere Angelegenheiten letztwillig zu regeln, als wir noch nicht über einen bestimmten Umstand Bescheid wussten. Das neue Testament hingegen lässt zumeist die aktuellen Geschehnisse und Erkenntnisse im Familienbund einfließen und legt so den Willen des Verfassers zum Zeitpunkt der Verschriftlichung erneut fest. Ja, natürlich bleibt es jedem Testator unbenommen ein brandneues Testament zu verfassen, doch geht es bei der Verfassung einer letztwilligen Verfügung nicht primär um die schriftstellerische Leistung, sondern vielmehr darum verantwortungsvoll mit den anvertrauten, wie auch den erworbenen Gütern umzugehen.

Ein wohlüberlegtes und formgültiges Testament kann unterstützen, kann Hilfe im Leben der Begünstigten sein und kann vor allem auch dem Verfasser die Dankbarkeit der Erben und Vermächtnisnehmer bis weit über seinen eigenen Tod sichern. Hierfür ist es nahezu unabdingbar, dass sich der Testamentsverfasser bzw. auch die hier permanent mitgedachte Testamentsverfasserin intensiv mit den Bedürfnissen der zu bedenkenden auseinander setzt.
Ebenso wie auch mit den eigenen Erwartungen an die Fortführung des eigenen Lebenswerkes, welches man dem Erben als „Universalrechtsnachfolger“ überantwortet. Der Erbe führt den Betrieb, das Unternehmen weiter, übernimmt das Eigentum und somit die Verantwortung über den Familiensitz.

Doch auch, wenn durch ein Testament keine Firmenimperien an die Folgegeneration weitergereicht werden, wenn es sich nicht um Großgrundbesitzer sondern um die Eigentümer eines Kleingartens handelt, die Bedürfnisse der Beteiligten sind deckungsgleich. Anerkennung des Lebenswerkes und die Hoffnung auf verantwortungsvollen Umgang mit dem aufgebauten Eigentum sowie die Hoffnung, der Folgegeneration das entsprechende Startkapital für ein zu glückendes Leben mit auf den Weg zu geben auf der einen Seite. Auf der anderen Seite steht neben der Möglichkeit, ein größeres oder kleineres Vermögen zu erhalten auch noch (und oftmals weit mehr) der Wunsch nach Anerkennung.

So willkommen ein Geldbetrag oder eine Liegenschaft auch sein mag, die damit verbundene Anerkennung der Leistung des bedachten Erben oder Vermächtnisnehmers ist in der Regel noch schwerwiegender.
In der Praxis der Mediation (nach dem Todesfall) bedeutet dies, dass neben dem scheinbaren Ressourcenkonflikt, der alleine bereits aufgrund des Pflichtteilsanspruches gelegentlich auftauchen kann, der Kuchen der Aufteilungsmöglichkeiten um ein Vielfaches durch die Bedürfnisse und Emotionen der Beteiligten erweitert werden kann.

Geht es beispielsweise bei der Aufteilung einer Liegenschaft darum, welches von den 3 Geschwistern die anderen im Endeffekt auszahlen soll, so kann auch ein Blick in die Vergangenheit helfen. Wer verbindet welche positiven, wie auch negativen Erinnerungen an die Liegenschaft, welche Erinnerungen können besprochen, geteilt, welche Verletzungen selbst zig Jahre nach ihrer Entstehung geheilt werden.

Ein gutes Beispiel war jener Fall, in welchem die auf den in Geld zu leistenden Pflichtteil beharrende Schwester erst dann von ihrer Forderung abließ, als sich der verwitwete Vater für die Entgleisungen der verstorbenen Mutter entschuldigte und unter Tränen gestand, dass er selber auch unter deren Unbeherrschtheit gelitten hatte.

Im Rahmen einer Mediation im Vorfeld der Testamentserstellung gilt es nun, diese Bedürfnisse, Hoffnungen aber „Sollbruchstellen“ bereits vor der schriftlichen Fixierung des letzten Willens sichtbar zu machen. So können Irrtümer und Missverständnisse rechtzeitig ausgeräumt werden, was dem Testamentsersteller ermöglicht, in zwar oftmals emotionaler aber keinesfalls feindseliger Atmosphäre über sein Leben zu reflektieren. Die zu Bedenkenden beziehungsweise die gesamte Familie wiederum erhält die Möglichkeit, sich mit ihren höchstpersönlichen Beziehungen untereinander und vor allem zum Testamentsersteller auseinander zu setzen und so für die Zukunft belastende Streitigkeiten aus dem Weg zu räumen. Wer in einem Blogtext Anleitungen zur Mediation erwartet, wird sicherlich fündig. Doch leider nicht hier. Unsere Tätigkeit, unsere Berufung basiert viel zu sehr auf Kreativität und Gespür für die menschliche Natur und die durch die bedingten Emotionen. In Materien wie dem Nachbarschaftskonflikt, der Scheidung, einem jobgefährdenden Mobbingthema oder eben dem Erbschaftskonflikt unterscheiden sich zwar oftmals die Methoden des Mediators oder der Mediatorin. Nicht aber deren Menschenbild. Respekt, Neugierde hinsichtlich der sich anbietenden Lösungsmöglichkeiten und eine unbedingte Freude an der Arbeit mit den Mitmenschen zeichnet wohl die meisten Mediatoren und Mediatorinnen aus. Deswegen hilft und unterstützt Mediation.

 

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